Die Meistersinger von Nürnberg

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Die Oper Die Meistersinger von Nürnberg von Richard Wagner

 

Die Meistersinger von Nürnberg
Musikdrama in drei Akten
WWV: 96
Libretto: Richard Wagner
Originalsprache: Deutsch
Uraufführung: 21. Juni 1868 München (Königliches Hof- und Nationaltheater)
Spieldauer: ca. 4.30 Stunden

 

Über das Werk:

Entstehung:
1845 schrieb Wagner bei dem selben Kuraufenthalt, der auch den Entwurf zum "Lohengrin" zeitigte, erste Skizzen zu den "Meistersingern". Er kannte zu diesem Zeitpunkt bereits Ludwig Franz Deinhardsteins Schauspiel "Hans Sachs", Lortzings gleichnamige Oper und Georg Gottfried Gervinus' "Geschichte der deutschen Nationalliteratur" (1835), die sich in zwei Kapiteln mit Hans Sachs und dem Meistergesang befasst. Von dem Entwurf einer "komischen Oper" über die Meistersinger war dann erst wieder 1851 die Rede, in der Schrift "Eine Mitteilung an meine Freunde". Der darin mitgeteilte Prosaentwurf entsprach bis in Details der späteren Oper.
Erst zehn Jahre später, 1861, dem Jahr des Pariser "Tannhäuser"-Fiaskos, teilte Wagner seinem Verleger Schott mit, er arbeite an einer komischen Oper. Während der Vorbereitungen zur geplanten Wiener Uraufführung des "Tristan" betrieb Wagner Ende 1861 intensiv Quellenstudien in der Kaiserlichen Bibliothek; u. a. exzerpierte er die bei Gervinus zitierte Abhandlung "Von der Meister-Singer Holdseligen Kunst" des Johann Christoph Wagenseil (1697). Dieser Quelle entnahm er die Namen der Meister, die Titel der Gesänge und die Fachtermini der Meistersinger. Danach begab er sich nach Paris, wo er in achtwöchiger Klausur den Text der "Meistersinger" vollendete.
Im April 1862 skizzierte Wagner das Orchestervorspiel, das in Partitur im Juni fertig war. Im November des Jahres trug Wagner die komplette Dichtung in Wien vor; unter den Gästen war auch der gefürchtete Kritiker Eduard Hanslick, den Wagner in der Figur des Beckmesser karikiert hatte. Zwar hieß die Figur nicht mehr, wie noch in den ersten Prosaentwürfen, "Hanslich" - dennoch spürte der Kritiker die Absicht und verließ empört die Gesellschaft. Wagner kam, bedrückt von Geldsorgen und Schulden, mit der Komposition nicht recht voran. Erst 1866 wurde der erste Akt fertig, im Oktober 1867 beendete er die Partitur.

Zur Musik:
Schon die exorbitante Länge der Oper (mit Pausen gut fünfeinhalb Stunden) zeigt deutlich, dass es sich hier nicht einfach um eine "komische Oper" handelt. Es ist abermals ein Ideendrama, in dem der politische Konflikt zwischen Progressiven und Konservativen an einem ästhetischen Konflikt gespiegelt wird: Dem Beharrungsvermögen der meistersingerlichen "Spießbürger" (wie Wagner sie ohne Umschweife nannte), die längst in ihrem dogmatischen Regelwerk erstarrt sind, steht der revolutionäre Elan, mit dem der Adel sämtliche - moralischen, wie ästhetischen - Regeln der bürgerlichen Gesellschaft verletzt, entgegen. In den "Meistersingern" wird nun modellhaft der Ausgleich von Konservativen und Progressiven gestaltet, herbeigeführt durch Hans Sachs -und in der Festwiesenszene des dritten Akts bestätigt durch eine Art "basisdemokratischen Konsens". Wagner gestaltete diesen Stoff durch einen demonstrativen Rückgriff auf altmeisterliche Polyphonie und einen gewissermaßen neobarocken Gestus. Das bedeutet auch den weitgehenden Verzicht auf die chromatische Tristan-Harmonik, sodass die "Meistersinger"-Partitur zugleich fortschrittlich und rückwärts gewandt ist, ihrerseits also den in der Handlung angestrebten Ausgleich ebenfalls realisiert.

Wirkung:
Die Uraufführung, wieder einmal nach mehrmaliger Verschiebung und den üblichen Schwierigkeiten bei den Proben über die Bühne gegangen, verlief nach Wagners Wünschen und zu seiner vollsten Zufriedenheit. Einzig am Sänger des Beckmesser, Georg Hölzel, hatte er etwas auszusetzen. Die Aufführung in Anwesenheit des Königs und zahlreicher illustrer auswärtiger Gäste wurde ein Triumph. Der Erfolg blieb dem Werk allerdings nicht treu. Nachdem es an einigen mittleren Bühnen freundlich aufgenommen worden war, kam es 1870 auch an den Hofopern in Wien und Berlin zur Aufführung. In Wien hielt man das neueste "Zukunftsmusik"-Produkt für den "Schwanengesang des gesunden Menschenverstandes", und in Berlin (wie schon zuvor in Mannheim) kam es gar während der Prügelszene im zweiten Akt zu Tumulten und Handgreiflichkeiten. "Schusterbubenoper", "ein Chaos", "ein Berg von Albernheit und Plattheit", "grauenvolle Katzenmusik" - so lauteten die Pressestimmen. Dennoch machten die "Meistersinger" recht bald die Runde über die großen Bühnen in Europa und Übersee. Einzig Paris blieb ausgespart, da nach der Niederlage von 1871 deutsche Stücke, noch dazu solche mit nationalen Untertönen, begreiflicherweise nicht gelitten waren. So fand die Erstaufführung auf Französisch 1885 in Brüssel statt - ein glanzvolles Ereignis in Anwesenheit der belgischen Königin, zu dem "tout Paris" mit der Bahn anreiste.
In Deutschland bildete sich nach der Reichseinigung rasch eine Aufführungstradition heraus, die den Schluss der Oper nicht mehr als freiwilligen demokratischen Konsens, sondern im Sinne einer formierten "Volksgemeinschaft" verstand. Unter der nationalsozialistischen Herrschaft ging man noch weiter: Es wurde üblich, die Festwiese als Reichsparteitag mit Fahnenstraße und choreographierten Massenaufmärschen zu inszenieren. Trotz dieses Mißbrauchs blieben die "Meistersinger" weltweit auf den Spiel-planen. Gerade in Bayreuth, wo Hitler ein gern gesehener Festspielgast gewesen war, schien eine Entnazifizierung der "Meistersinger" notwendig: Sie gelang - nach der noch eher konventionellen Produktion von 1951 unter Herbert von Karajan - im Jahr 1956 durch die kritisch-abstrahierende Inszenierung Wieland Wagners unter dem nie angemessen gewürdigten Wagner-Dirigenten Andre Cluytens. Wieland Wagners Deutung war äußerst umstritten, gilt heute aber als Markstein der Wagner-Rezeption. Außerdem war sie ein Akt der Distanzierung, war Wieland als Enkel des Bayreuther Meisters doch von Hitler selbst protegiert worden.
Joachim Herz inszenierte das Stück 1960 in Leipzig als pralle Renaissancekomödie" auf antiillusionistischer Bretterbühne. Harry Kupfers Produktion an der Komischen Oper Berlin 1981 gab sich als naives Volksvergnügen mit einem fantastisch wuchernden Baum in der Mitte des Einheitsbühnenbilds. Die nationalistische Rezeption der Oper griff Hans Neuenfels in seiner in die 1950er Jahre transponierten Inszenierung in Stuttgart 1994 satirisch an. Aus jüngerer Zeit sei vor allem die Inszenierung von Christine Mielitz 1998 zum 100-jährigen Bestand der Wiener Volksoper erwähnt, die nicht den Faschismus aufs Korn nahm wie mancher ihrer Regiekollegen der 1990er Jahre, sondern "ein spießiges Banausentum, das den Nährboden der geistlosen Amüsiergesellschaft der Gegenwart bildet" (Reinhard Kager in "Opernwelt").


Uraufführung: 21. Juni 1868 München (Königliches Hof- und Nationaltheater)

Besetzung der Uraufführung:

Eva, Pogners Tochter: Mathilde Mallinger (sopran)
Walther von Stolzing, ein junger Ritter aus Franken: Franz Nachbaur (tenor)
Hans Sachs, Schuster: Franz Betz (bass)
Magdalene, die Amme Eva´s: Sophie Dietz (sopran oder mezzo-sopran)
David, Lehrbube von Sachs und Magdalene´s Geliebter:,Karl Schlosser (tenor)
Sixtus Beckmesser, Stadtschreiber: Gustav Hölzel (bass)
Veit Pogner, Goldschmied: Kaspar Bausewein (bass)
Fritz Kothner, Bäcker: Karl Fischer (bass)
Kunz Vogelgesang, Kürschner: Karl Heinrich (tenor)
Konrad Nachtigall, Spengler: Eduard Sigl (bass)
Balthasar Zorn, Zinngiesser: Herr Weixlstorfer (tenor)
Ulrich Eisslinger, Würzkrämer: Herr Hoppe (tenor)
Augustin Moser, Schneider: Herr Pöppl (tenor)
Hermann Ortel, Seifensieder: Herr Thoms (bass)
Hans Schwarz, Strumpfwirker: Herr Grasser (bass)
Hans Foltz, Kupferschmied: Herr Hayn (bass)
Nachtwächter: micht bekannt (bass)

 

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