Akt 4

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Der Text zum 4. Akt der Oper Rienzi, der Letzte der Tribunen von Richard Wagner

Vierter Akt - Erste Szene
Introduktion, Terzett und Chor

Der Vorhang geht auf. Platz vor dem Lateran, dessen Pforten sich rechts an der Seite befinden. Nacht. Baroncelli mit einer Anzahl von Bürgern; alle verhüllt.
Baroncelli
Wer war's, der euch hierher beschied?
Volk
Er war verhüllt, unkenntlich uns.
Baroncelli
Wißt ihr, daß Deutschlands Abgesandte
für immer Rom verlassen?
Volk
Ha! So zürnt der neue Kaiser Rom?

Cecco kommt, begleitet von Bürgern.
Cecco
Euch treff' ich hier? - So seid auch ihr
hierher beschieden?
Baroncelli
Cecco auch?
Kennst du die schlimme Neuigkeit?
Cecco
Daß die Gesandten Rom verlassen?
Das danken wir dem Übermut,
mit dem Rienzi Deutschlands Fürsten
die römische Kaiserwahl bestritt.
Baroncelli
Wir werden's büßen; - mit dem Papst
versteht der neue Kaiser sich.
Volk
Wer bleibt dann noch zu unsrem Schutz?
Cecco
Wißt noch, was mir nicht recht gefällt:
der Kardinal ist abgereist.
Volk
Was sagst du? Auch der Kardinal?
Baroncelli
Wohl weiß ich, daß bei seiner Flucht
Colonna an den Papst sich wandte.
Volk
Sprich lauter!
Baroncelli
Und ihm versprach, der Kirche Schutz
durch seine Macht zu übernehmen.
Cecco
Und was sagt nun der Papst zu seinem Tod?
Baroncelli
Dies das Geringste! Doch was sagt ihr
zum Tode eurer Brüder?
Volk
Entsetzlich blutiger Verlust!
Baroncelli
Glaubt ihr, Rienzis Milde war's,
die zu der Gnade ihn bewog?
Klar sehe ich, es war Verräterei!
Volk
Verräterei? Womit beweisen?
Baroncelli
Verbindung sucht' er mit den Nobili,
ihr wißt, Irene liebt Colonnas Sohn.
Nun! Um den Preis dieser Begnadigung
hofft' er zum Bunde Colonna zu bewegen.
Volk
Und darum strömte unser Blut?
Wehe ihm, wenn das sich wahr erweist!
Stell uns Zeugen, Baroncelli!
Auf, stell uns Zeugen!

Adriano war verhüllt unter die Bürger getreten und schreitet jetzt hervor.
Adriano
Ich bin ein Zeuge, er sprach wahr.
Cecco, Volk
Und wer bist du?
Adriano (enthüllt sich)
Colonnas Sohn!
Colonna! Ach, darf ich ihn nennen,
der aus dem Grab mir fluchend droht?
(starr vor sich hinsehend)
Laß dich versöhnen, blut'ger Schatten,
wend ab von mir den düstern Blick!
Nicht eher soll dieser Arm ermatten,
bis er gerächet dein Geschick!
(Wie schnell erwachend.)
Ihr Männer, ja! Ich bin Colonnas Sohn!

Er tritt unter die Bürger.
Höret mich! Unwürdig seiner Macht
ist der Tribun, der euch verriet.
Ihr Römer, seid auf eurer Hut!
Der Kaiser droht, die Kirche zürnt.
Baroncelli, Cecco, Volk
Ha, der Verräter! Er, dem wir dienten,
der seinem Ehrgeiz preisgab unser Blut,
in das Verderben stürzte er uns!
Ha, Rache ihm!
Adriano
Ja, Rache ihm!
Ich sei es selbst, der sie vollzieht!
Adriano
Des Vaters blut'ge Schmach zu rächen,
treibt mich ein heiliges Gebot;
zum Himmel auf schreit sein Verbrechen,
der Frevler büß' es mit dem Tod!
Baroncelli, Cecco, Volk
Des Hochverräters Schmach zu rächen,
treibt Ehre uns und herbe Not;
zum Himmel auf schreit sein Verbrechen,
der Frevler büß' es mit dem Tod!

Der Tag bricht an.
Cecco
Doch seht, die Nacht ist schon gewichen!
Sagt, brechen wir in offener Empörung los?
Baroncelli
Durch Festes Pomp sucht der Tribun
zu übertäuben unsre Not!
Ein feierlich Te Deum soll
heut danken für den blut'gen Sieg.
Adriano
So macht's zum Fest und straft ihn heut!
Baroncelli, Cecco, Volk
Vor aller Augen sei's getan!

Der Kardinal mit Gefolge von Priestern und Trabanten begibt sich in einem lautlosen Zuge über den Platz in die Lateran-Kirche. Bei seinem Anblick halten die Verschworenen an.
Baroncelli
Seht, welch ein Zug!
Volk
Der Kardinal!
Cecco
Ha, wie! Er ist zurückgekehrt?
Baroncelli
Und das Te Deum hält er selbst?
Volk
Die Kirche für Rienzi!
Cecco
Nichts vermögen wir;
die Kirche schützt allmächtig ihn!
Adriano
So schnell erlischt,
Elende, eu'r gerechter Zorn?
Sei's an den Stufen des Altars,
verfallen ist er meinem Arm.
Cecco
Es naht der Zug, schließt euch an mich!
Erwarten still wir, wie sich's fügt!

Vierter Akt - Zweite Szene
Finale

Es naht ein feierlicher Zug, der sich dem Eingang des Lateran zuwendet; die Verschworenen halten die Treppe der Kirche besetzt. - Der Zug hat sich vor der Kirche gruppiert; Rienzi und Irene, in Friedensgewändern, langen auf der Szene an. - Als Rienzi der Treppe der Kirche naht, hält er beim Anblick der Verschworenen still, welche ihm weniger durch Gebärden als durch ihre eingenommene Stellung den Eintritt streitig zu machen scheinen.

Rienzi (ernst zu den Verschworenen)
Ihr nicht beim Feste? Achtet ihr
so gering den Sieg, nicht Dankes wert?
Adriano (unter den Verschworenen in seinen Mantel gehüllt)
O Gott! Irene an seiner Seite!
Ihn schützt ein Engel; wie vollend' ich's?
Rienzi
Wie, oder ist der Mut dahin,
da ihr die Brüder fallen saht?
Sind dafür jene nicht vernichtet,
die sonst, als ihr noch friedlich waret,
euch Väter, Söhne kalt erschlugen
und eure Weiber schändeten?
O, für wie weit geringre Not
weiht' einst der Römer sich dem Tod!
Doch ihr schlugt euch für Ehr und Ruhm,
für eurer Freiheit Heiligtum!

Die Verschworenen sind wie geschlagen; keiner wagt die Augen zu erheben.
Ihr habt gesiegt, o laßt mich nimmer glauben,
daß ihr den Sieg, der Ruhm euch gab, verwünschet!
Baut fest auf mich, den Tribunen!
Haltet getreu an meiner Seite!
Gott, der bis hier mich führte,
Gott steht mir bei, verläßt mich nie.

Die Verschworenen teilen sich ehrfurchtsvoll unter dem Ruf:
Chor der Verschworenen
Lang lebe der Tribun!
Adriano (für sich)
Ha, feige Sklaven!
Soll ich allein? Soll vor Irenen selbst?

Rienzi und der Zug lassen sich an, die Treppe der Kirche zu besteigen; Adriano tut einen zweifelhaften Griff nach dem Dolche; da hört man aus dem Innern des Lateran den Gesang der Mönche; von Schauer ergriffen halten Rienzi und der Zug plötzlich an.
Priester, Mönche im lateran
Vae, vae tibi maledicto!
Jam te justus ense stricto
vindex manet angelus.
Rienzi
Wie schauerlich! Welch ein Te Deum?
Priester, Mönche im lateran
Vae, spem nullam maledictus
foveat, Gehennae rictus
jamjam hiscit flammeus!
Volk
Uns faßt ein Grauen, welche Töne!

Rienzi ermannt sich und gibt ein Zeichen, worauf sich der Zug schnell wieder ordnet und nach der Treppe zu in Bewegung setzt. Als Rienzi auf der Hälfte der Treppe angelangt ist, erscheint am großen Portale der Kardinal, umgeben von Priestern.
Kardinal und die Priester
Zurück, dem Reinen nur
erschließt die Kirche sich!
Du aber bist verflucht,
im Bann ist, wer dir treu!
Volk
Fliehet ihn! Er ist verflucht!

Alles flieht entsetzt von der Bühne. - Der Kardinal und die Priester haben sich sogleich in die Kirche zurückgezogen. Die Kirchenpforten sind schnell geschlossen worden; an ihnen angeheftet erblickt man die Bannbulle; unmittelbar unter derselben steht Adriano. - Rienzi ist entsetzt bis in die Mitte der Szene zurückgewankt, wo er bis zum Schluß des Auftrittes bewegungslos, wie in dumpfer Betäubung stehen bleibt. Irene ist bewußtlos an seiner Seite zusammengesunken. Lange Pause auf der Bühne. Wie aus dem tiefen Inneren der Kirche wird der Gesang der Mönche gehört.
Mönche in der Kirche
Vae, vae tibi maledicto!
Jam te justus ense stricto
vindex manet angelus.
Vae, spem nullam maledictus
foveat, Gehennae rictus
jamjam hiscit flammeus!

Adriano, der die Bühne nicht verlassen hat, die in einem Augenblicke leer geworden ist, verläßt seine Stelle und naht unsicher wankenden Schrittes Irene.
Adriano (zu der am Boden hingestreckten Irene sich herabbeugend)
Irene! Komm, flieh diesen Ort -
Zu mir! Ich bin dein Adriano!
Irene (sich langsam aufrichtend)
Du hier? Was willst du? Was geschah?
Adriano
Der Boden brennt zu deinen Füßen!
Auf, eile, flieh! Dein Freund bin ich,
sieh her, ich bin's, dein Geliebter!
Irene
Mein Bruder? Sag, wo ist mein Bruder?
Adriano
Der ist verflucht und ausgestoßen
vom Heile des Himmels und der Erden;
verflucht ist mit ihm, wer ihm zur Seite;
drum rette dich, flieh seine Nähe!
Irene
Mein Bruder! - Ha, hinweg, Unsel'ger!
(Sich an Rienzis Brust werfend.)
Rienzi! Rienzi! O mein Bruder!
Adriano (wütend)
Wahnsinnige! Verdirb mit ihm!

Er stürzt ab.
Aus seiner Betäubung erwachend, fühlt Irene an seiner Brust, richtet sie auf und blickt ihr gerührt in die Augen
Rienzi
Irene, du? Noch gibt's ein Rom! (Sie verweilen in einer langen Umarmung.)
Mönche im Lateran
Vae, vae tibi maledicto!
Jam te justus ense stricto
vindex manet angelus.

Während des Gesanges der Mönche in der Kirche sinkt der Vorhang langsam herab.

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