Akt 5

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Der Text zum 5. Akt der Oper Rienzi, der Letzte der Tribunen von Richard Wagner

Fünfter Akt - Erste Szene
Introduktion und Gebet

Der Vorhang geht auf. Ein Saal im Kapitol. Rienzi allein vor einem kleinen Hausaltar kniend.

Rienzi
Allmächt'ger Vater, blick herab!
Hör mich im Staube zu dir flehn!
Die Macht, die mir dein Wunder gab,
laß jetzt noch nicht zugrunde gehn!
Du stärktest mich, du gabst mir hohe Kraft,
du liehest mir erhabne Eigenschaft:
zu hellen den, der niedrig denkt,
zu heben, was im Staub versenkt.
Du wandeltest des Volkes Schmach
zu Hoheit, Glanz und Majestät!
O Gott, vernichte nicht das Werk,
das dir zum Preis errichtet steht!
Ach, löse, Herr, die tiefe Nacht,
die noch der Menschen Seelen deckt!
Schenk uns den Abglanz deiner Macht,
die sich in Ewigkeit erstreckt!
Mein Herr und Vater, o blicke herab!
Senke dein Auge aus deinen Höhn!
Die Kraft, die mir dein Wunder gab,
laß jetzt noch nicht zugrunde gehn!
Allmächt'ger Vater, blick herab!
Hör mich im Staube zu dir flehn!
Mein Gott, der hohe Kraft mir gab,
erhöre mein tiefinbrünstig Flehn!

Er beugt das Haupt tief zur Erde und verbleibt in stummem Gebete.

Fünfter Akt - Zweite Szene
Duo

Irene tritt auf. Rienzi hat sich erhoben und sie erblickt. Sie umarmen sich heftig.

Rienzi
Verläßt die Kirche mich, zu deren Preis
mein Werk begann, verläßt mich auch das Volk,
das ich zu diesem Namen erst erhob,
verläßt mich jeder Freund, den mir das Glück
erschuf, bleibt zweies doch mir ewig treu:
der Himmel selbst und meine Schwester!
Irene
Mein Bruder, ja, noch kenne ich die Lehren,
in denen du mich schwaches Weib erzogst:
du machtest mich zu einer Römerin!
Sieh denn, ob ich die Lehre treu befolgt!
Den letzten Römer laß ich nie, sei auch
der Preis das Glück des Lebens und der Liebe!
Rienzi, sag: hab' ich mich stark bewährt?
Rienzi
Irene, meine Heldenschwester!
Irene
Und weißt du auch, was einer Lieb entsagen heißt?
O nein, du hast ja nie geliebt!
Rienzi
Wohl liebt' auch ich! - O Irene,
kennst du nicht mehr meine Liebe?
Ich liebte glühend meine hohe Braut,
seit ich zum Denken, zum Fühlen erwacht,
seit mir, was einstens ihre Größe war,
erzählte der alten Ruinen Pracht.
Ich liebte schmerzlich meine hohe Braut,
da ich sie tief erniedrigt sah,
schmählich mißhandelt, grau'nvoll entstellt,
geschmäht, entehret, geschändet und verhöhnt!
Ha, wie ihr Anblick meine Wut entflammte!
Ach, wie ihr Jammer Macht gab meiner Liebe!
Mein Leben weihte ich einzig nur ihr,
ihr meine Jugend, meine Manneskraft;
denn sehen wollt' ich sie, die hohe Braut,
gekrönet als Königin der Welt -
denn wisse: Roma heißt meine Braut!
Irene
Treuloses Weib, Verachtung dir!
Rienzi
Ermiß denn meinen Schmerz,
da dieser Liebe ich entsagen soll!
Irene
Rienzi, o mein großer Bruder,
blick in mein tränenloses Auge,
sieh auf der Wange tiefen Gram,
empfinde, was dies Herz bezwang,
und sag: ist Roma untreu dir?
Rienzi
Irene, ach, selbst deine Treue
bricht mir das Herz. Was willst du tun?
Im Bann bin ich; verflucht auch du
an meiner Seite, und mein Werk,
ich ahn' es, ist vollendet bald!
Ich sei das Opfer, warum du?
Gedenkst du Adrianos nicht?
Er haßt nur mich und ist versöhnt,
wenn ich gefallen. Bleibe sein.
Irene
Rienzi! Ha, was höre ich?
Zu deiner Schwester sprichst du so?
Rienzi
Kein Rom gibt's mehr, sei denn ein Weib!
Irene
Ich sei die letzte Römerin!
Rienzi
Ach, mehre so nicht meinen Gram!
Irene
Rienzis Schwester trotzt dem Tod!
Rienzi
Ach, mehre so nicht meinen Gram!
Irene
Ermorde mich - ich laß dich nie!
Rienzi (überwältigt)
Komm, stolze Jungfrau, an mein Herz!
Beide
In unsrem treuen Bunde,
in dieser keuschen Brust
lebt Roma noch zur Stunde,
der Größe sich bewußt.
Blickt uns ins feste Auge
und sagt, ob Roma fiel?
Mit unsrem letzten Hauche
setzt Gott ihr erst ein Ziel!
Rienzi
Es sei! Noch einmal will ich mich denn rüsten,
noch einmal tönen soll der Ruf,
zu wecken Rom aus seinem Schlaf.

Er geht ab. Irene wendet sich nach einer andern Seite hin ebenfalls zum Abgang.

Fünfter Akt - Dritte Szene
Szene und Dou

Von Adrianos Auftritt an wird es immer finsterer, so daß die Szene in völliger Nacht endet; bald wachsendes, bald abnehmendes, im Ganzen aber immer näher kommendes Volksgetümmel wird von außen her vernommen: der grelle Schein von Feuerbränden erhellt blitzartig das Dunkel der Szene durch die Fenster, deren Scheiben durch Steinwürfe zerschlagen werden: diese Steigerung des Aufruhrs muß jedoch erst gegen das Ende der Szene eintreten.
Adriano, tief in seinen Mantel gehüllt und bis zum Wahnsinn aufgeregt, tritt unter der Türe Irenen entgegen.

Adriano
Du hier, Irene? Treff' ich dich
noch in des Fluchbeladnen Haus?
Irene
Entsetzlicher, du wagst es noch,
des Reinen Schwelle zu übertreten?
Entflieh!
Adriano
Wahnsinnige, noch Trotz?
Ach, du kennst dein Verderben nicht!
Doch rett' ich dich. - Flieh, komm mit mir!
Irene
Hier, bei dem Letzten, den der Name
des Römers ziert, ist mein Asyl!
Ihr seid Treulose, Schändliche!
Geh, es gibt keine Liebe mehr!
Adriano
Ha, meine Liebe, ja, ich fühl' es,
ist Liebe nicht, ist Raserei!
Irene, Irene, sieh mich knien!
Du schwurest einst mir ew'ge Treue,
versünd'ge nicht durch Meineid dich!
Wohl kenne ich noch meinen Schwur;
ich schwur: Tod und Verderben solle
mir Losung sein, um jedes Band
und jede Schranke zu zertrümmern!
Dies war mein Schwur, ich halt' ihn jetzt:
Tod und Verderben, es ist da!
Dein Bruder ward von Gott verflucht,
verflucht von mir und aller Welt;
das Volk, es rast, kennt den Verrat.
Dies Kapitol, bald steht's nicht mehr,
schon wird der Feuerbrand genährt;
wer hier betroffen, ist verflucht,
sein Tod dem Mörder ein Verdienst;
in meiner Hand zuckt selbst der Stahl:
dein Bruder fällt, er fällt durch mich!
Tod und Verderben, sieh, ist da.
Nun bist du mein! Sag, bin ich treu?
Zu deinen Füßen lieg' ich hier;
sieh meine Liebe, sieh meine Treu'!
Irene (ihn abwehrend)
Verruchter! Die Hölle rast in dir!
Nichts hab' ich mehr mit dir gemein!
Hier stehe ich, eine Römerin!
Nur meine Leiche nennst du dein!

Man hört verworrenes, anwachsendes Getümmel von außen.
Adriano
Sie kommen, ha! Die Flamme glüht!
Entsetzen! Wahnsinn! Auf, Irene!
Irene
Laß mich, ich fühle Riesenkraft;
Gott hilft mir, dir zu widerstehn.
Adriano
Nein, du darfst nicht sterben, dein Tod trifft mich!
Komm mit, ich reiße dich hinweg!

Er sucht sich Irenens gewaltsam zu bemächtigen.
Irene
Vergeh, Wahnsinniger! Frei bin ich!

Sie hat mit wütender Gewalt Adriano von sich geschleudert und entflieht. Adriano ist zu Boden gesunken.
Adriano (rafft sich starren Blickes auf.)
O, du bist mein! Durch Flammen selbst
find ich den Weg!

Abgang
Die Szene verwandelt sich.

Fünfter Akt - Vierte Szene
Finale

Großer Platz vor dem Kapitol, das sich im Hintergrunde befindet. Volkshaufen in der wütendsten Aufregung. - Das Volk strömt von allen Seiten dem Platze zu.

Volk
Herbei! Herbei! Auf, eilt zu uns!
Bringt Steine her! Bringt Feuerbrand!
Er ist verflucht, er ist gebannt!
Verderben treffe ihn und Tod!
Auf, ehrt der Kirche Hochgebot!

Rienzi in voller Rüstung, doch entblößten Hauptes, erscheint mit Irene auf dem hohen Balkon des Kapitols.
Er ist's! Seht, der Fluchbeladne trotzt!
Auf, steinigt ihn!
Rienzi
Kennt ihr mich noch?
Es fordert Ruhe der Tribun.
Baroncelli
Hört ihn nicht an!
Volk
Hört ihn nicht an!
Rienzi
Entartete! Sagt, zeigt ihr so den Römerstolz?
Cecco
Bringt Steine her!
Volk
Auf, steinigt ihn!
Rienzi
Bedenkt, wer macht' euch groß und frei?
Gedenkt ihr nicht des Jubels mehr,
mit dem ihr damals mich begrüßt,
als Freiheit ich und Frieden gab?
Um euretwillen fleh' ich euch:
gedenket eures Römerschwurs!
Baroncelli
Hört ihn nicht an! Er bezaubert euch!
Volk
Fangt an! Auf, bringt Feuerbrand!
Werft Feuer in das Kapitol!

Von allen Seiten werden brennende Pechkränze geworfen.
Rienzi
Wahnsinnig Volk! Wen greift ihr an?
Wie glaubet mich ihr zu vernichten?
So hört von mir das letzte Wort:
so lang die sieben Hügel Romas stehn,
so lang die ew'ge Stadt nicht soll vergehn,
sollt ihr Rienzi wiederkehren sehn!
Volk
Bald faßt ihn schon der Feuerbrand!
Er ist verflucht, er ist gebannt!

Verderben treffe ihn und Tod!
Auf, ehrt der Kirche Hochgebot!

Das Kapitol steht in vollem Brande; man erblickt Rienzi und Irene, sich umschlungen haltend und von Flammen umgeben, auf dem Balkon; das Volk wirft mit Steinen nach ihnen.
Adriano erreicht atemlos die Bühne an der Spitze der zurückkehrenden Nobili, welche teils zu Pferde, teils zu Fuß einen heftigen Angriff auf das Volk ausführen.
Adriano (Irene erblickend)
Irene! Irene! Auf, durch die Flammen! Ah!

Als Adriano dem Kapitol zueilt, stürzt der Turm, wo Rienzi und Irene sich befinden, mit furchtbarem Krach zusammen. Adriano sinkt mit einem Schrei leblos zu Boden und wird mit Rienzi und Irene unter den Trümmern begraben.

Ende

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